Zu den 17 KörperabdruckBildern „Passionszyklus“ 1993/94
Diese Geschichte, die Passion Jesu, geht mir unter die Haut- und genau so habe ich das umgesetzt:
“Sich in die Situation jeder der Personen der Geschichte hineinzuversetzen… Ich könnte jede der Personen sein; fähig zu all dem “- war für mich der Antrieb, mich mit Farbe zu beschmieren, nach vielen Skizzen die Bilder so zu gestalten. Ohne schützende Hülle. Vor Gott und in der Kunst ist der Mensch nackt; pure Existenz.
Jede der Personen, die Jesus begegnen, treibt die Geschichte voran: Jede hat die Möglichkeit, sich auch anders zu entscheiden – das alttestamentliche Wort „Timschal“ beschreibt diese Entscheidungsmöglichkeit in der Kain – und- Abel Geschichte. Jeder hat in seinem Leben solche Dinge wie Verrat, Demütigung, Anschuldigung oder Gewalt in leichter – wie im Wort der Magd im Gerichtshof, die Petrus NUR „neckt“ und dann nicht locker läßt: “du warst doch auch dabei“ – oder übelster Form durch Menschen erfahren; erlitten. Unser Entscheidungsraum ist oft klein; aber es bleibt die Frage zu stellen: Geben wir einfach so weiter oder zurück; was wir empfangen haben oder stoppen wir die Spirale abwärts durch eine bewußte Entscheidung?
Die Bilder sind im Zeitraum eines Dreivierteljahres im Collageverfahren nach vielen Skizzen entstanden d.h. sie sind aus Körperabdrucken zusammengefügt. Ich hatte mich von den vier Evangelien zu 17 Bildern inspirieren lassen ; nicht von den klassischen Kreuzwegstationen.
Die Farben sind mit Erdpigmenten selbst hergestellt.
Die begleitenden Texte habe ich während des Prozesses – eher ausgespuckt als behutsam formuliert; ihre Drastik entspricht meist der der Darstellung.
Zur Technik: Körperdruck-Collage
(eigentlich: decoupee; geschnittene selbsthergestellte Papiere)
Zuerst bedrucke ich Papierbögen, indem ich meinen Körper – meist in Teilen-
mit aus Erdpigmenten und spezieller Zellulose gemischter
Farbe (Leimfarbe) bestrichen – in der auf den Skizzen vorgegebenen Körperhaltung
aufs Blatt bringe; auch mehrmals abdrucke.
Später wird aus den so gewonnenen Bögen das Bild geklebt:
manchmal lassen sich ganze Schenkel, Arme, Köpfe
verwenden; oft aber sind es kleine Teile,
die die gewünschten Strukturen zeigen
aus denen fast wie beim Puzzle der Gesamteindruck entsteht
Offensichtlich werden auch Strukturen dem Auge als Täuschung
angeboten – es nimmt sie willig “wahr”
Die sichtbaren Spuren des körperlichen Einsatzes,
meines Auslieferns an das Geschehen buchstäblich mit Haut und Haaren vergegenwärtigen die Leiden des Erlösers,
rufen das Körpergedächtnis des Betrachters an:
über das wiedererkennen von Haut-
Authentizität – wie diejenige des Turiner Grabtuchs – gültige
Sichtbarmachung
des stellvertretend erduldeten
“er nahm auf sich unsere Krankheit und trug unsere Schmerzen”
o ja; das habe ich verspürt beim entstehen jedes Bildes
im dargestellten die eigenen Schmerzen spüren sich der eigenen
Krankheit, des eigenen Kreuzwegs bewußt werden
kathartische Erlebensmöglichkeit
Zuneigung – Hinwendung – Anschuldigung – Verrat – Verspottung –
Mißhandlung – Beschämung – körperliche Leiden –
tierische Schmerzen – unendliche Qual.
Begraben jeglicher Hoffnung
entlassen zum Tod-
und
Auferstehung
—
Passion
in der Passionsgeschichte
ist auch die Aufforderung~ :
wer mir nachfolgen will ,der nehme sein Kreuz auf sich
unser Leben annehmen
Gutes wie Böses
lebendig bleiben
sich nicht abschotten durch wegprojizieren des eigenen Bösen
unseren ganzen inneren Garten besehen-
~
wie leichtfertig von mir zu sagen:
alle Personen durch Abdruck meines Körpers darzustellen
ist richtig, denn ich könnte in die Lage eines jeglichen von ihnen
kommen
welch zurückhaltende Vornehmtuerei ,
vorbeimanövrierend am eigentlichen
FÄHIG zu allem diesen
äußerster Gemeinheit, übelster Intrigen. Rohster Gewalttat
stumpfester Gleichgültigkeit anderen gegenüber
Erfahre mich sowohl als Täter wie als wehrlosestes Opfer.